Christian Oberleiter ist Manager am Institute of Brand Logic. Der Experte für nachhaltige Destinationsentwicklung hat internationale Berufserfahrung in renommierten Hotelketten und Tourismusorganisationen sowie im Marketing und Operations Management in führenden Positionen bei Swarovski. Darüber hinaus ist Christian passionierter Trailrunner und ambitionierter Marathonläufer.

Es herrscht mittlerweile ein breiter Konsens darüber, dass der menschengemachte Klimawandel Realität ist und wir alle die Auswirkungen des Klimawandels in irgendeiner Form zu spüren bekommen. Und wohl jede Tourismusdestination beschäftigt sich mittlerweile mit dem Thema der Nachhaltigkeit. Allerdings gibt es beim WIE und in welcher Intensität große Unterschiede. Während sich manche Regionen bereits mit der Installation von 2 Ladestationen für Elektroautos brüsten, setzen andere wiederum auf Zertifizierungen mit bürokratisch sehr aufwändigen Prozessen. Bei einer vom Institute of Brand Logic durchgeführten Befragung in 25 großen Alpendestinationen wurde u.a. die Frage gestellt, welche Initiativen zur Nachhaltigkeit bereits umgesetzt werden. Wenig überraschend standen Mülltrennung und die Einbindung regionaler Lieferanten an erster Stelle. Bei vielen anderen Themen wie sogenannter „Green-Events“, der Forcierung veganer Küche oder der Sensibilisierung der Bevölkerung für Klimaschutz besteht allerdings noch enorm viel Luft nach oben.

Bei all den Bemühungen geht es darum, einen wirklichen Impact zu schaffen, der weit über den berühmten „Tropfen auf den heißen Stein“ hinausgeht mit dem obersten Ziel der Klimaneutralität für die Destination.

Es braucht einen destinationsweiten Prozess

Für die Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie und deren Umsetzung braucht es einen destinationsweiten, koordinierten Prozess, welcher alle Interessensgruppen integriert. Es gilt dabei, ein gemeinsames Zukunftsbild zu bauen, welches von allen geteilt wird, um dann eine koordinierte Umsetzung voranzutreiben zu können.

In einem allerersten Schritt geht es um das Schaffen eines Bewusstseins für die absolute Notwendigkeit einer verbindlichen Nachhaltigkeitsstrategie. Auch wenn das übergeordnete Ziel die Eindämmung der globalen Erwärmung ist, gibt es für Akteure im Tourismus sieben weitere wichtige Gründe, sich der Zukunftsfähigkeit einer Destination mit vollem Fokus zu widmen:

1. Verändertes Konsumverhalten der Gäste

Eine von der ÖHV in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass 50 % der befragten Gäste das Thema Ökologie im Urlaub sehr wichtig ist. Auch wenn dieses heute für die große Masse noch nicht der entscheidende Buchungsgrund ist, so zeigt der Trend besonders bei jungen Menschen ganz klar auf, dass Ökologie immer wichtiger wird bei der Wahl des Urlaubsziels. Im MICE-Bereich (Meeting, Incentive, Congress, Events) gilt mittlerweile für viele Firmen das Vorhandensein einer nachweisbaren Nachhaltigkeitsstrategie als Grundvoraussetzung für Buchungen bzw. den Abschluss von Jahresvereinbarungen mit Hotelbetrieben.

2. Druck durch Vertriebspartner

Große Reiseveranstalter wie die TUI haben „Nachhaltige Hotels“ bereits als Filterkriterium auf ihren Buchungsplattformen integriert. Ebenso zeigt booking.com den „Nachhaltigkeits-Level“ der jeweiligen Unterkunft an prominenter Stelle aus. Auch HRS.com führt das „Green Stay Label“ sogar mit der Angabe des CO2-Fußabdrucks des jeweiligen Betriebes gut sichtbar an. Viele andere Vertriebspartner orientieren sich an den Beispielen der Branchengrößen.

3. Sensibler Arbeitsmarkt

Besonders die jüngeren Generationen sind sehr sensibel, wenn es darum geht, für wen sie arbeiten möchten. Viele künftige Arbeitnehmer:innen werden sich für jene Betriebe entscheiden, welche eine klare Strategie in puncto Umweltschutz verfolgen. In Zeiten des europaweiten Arbeitskräftemangels haben somit jene Unternehmen mit einer klaren Zukunftsstrategie entscheidende Vorteile am Arbeitsmarkt.

4. Gesetzliche Vorgaben

Laut EU-Taxonomie müssen europaweit sämtliche KMUs (u.a. ab 250 Mitarbeiter:innen) einen Bericht darüber ablegen, welche Investitionen und welche wirtschaftliche Tätigkeiten ökologisch nachhaltig sind und welche tatsächlich einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Diese Fragen müssen klar und transparent beantwortet werden, d.h. auch die vor- und nachgelagerten Unternehmen müssen abgebildet werden. Es ist davon auszugehen, dass der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen sukzessive über die Jahre ausgeweitet wird.

5. Veränderte Lieferantenbedingungen

Die EU-Taxonomie gilt dann auch für die großen zuliefernden Betriebe. Das bedeutet, dass auch diese Unternehmen ihre Geschäftsfelder und Strategien anpassen und möglicherweise bestimmte Kundengruppen aus ökologischen Gesichtspunkten (z.B.: Logistik, verändertes Sortiment) ausschließen werden oder die Belieferung nur zu veränderten Bedingungen durchführen.

6. Kreditvergabe an Zukunftsstrategie gebunden

Die EU-Taxonomie spielt künftig auch eine Schlüsselrolle bei der Neuausrichtung der Kapitalströme hin zu nachhaltigen Investitionen. Besonders Banken werden bei der Vergabe von Krediten ein noch größeres Augenmerk auf das Vorliegen einer Zukunftsstrategie legen, welche auch besonders die ökologischen Aspekte abbildet.

7. Schwindende Geschäftsgrundlage

Schon heute erleben wir, wie niedergelegene Skigebiete ihren Skibetrieb stark einschränken oder gar einstellen mussten. Andere Skigebiete müssen immer mehr Ressourcen einsetzen, um eine durchgängige Wintersaison sicherstellen zu können. Besonders Vor- und Nachsaisonen verkürzen sich aufgrund fehlender Schneedecken. In klassischen Sommer- bzw. Badedestinationen wirken sich langanhaltende Hitzeperioden negativ auf den Wasserhaushalt aus, was wiederum zu einem eingeschränkten Leistungsangebot führen kann. Auch wenn es viele Urlauber aufgrund der zunehmenden Hitze in den südlichen Badedestinationen vermehrt in die Berge ziehen könnte, so gibt es auch dort wetterbedingte Risiken wie Vermurungen, Hangrutsche und Steinschläge, die dann ganze Talschaften für länger Zeiten von der Außenwelt abschneiden. Das bedeutet, dass in vielen Destinationen die jahrelang gut funktionierenden Geschäftsmodelle ins Wanken geraten, da das zentrale Leistungsversprechen nicht mehr eingehalten werden kann.

[Autor: Christian Oberleiter, Senior Consultant am Institute of Brand Logic]

Weitere Ressourcen zum Thema:

Für uns als Impact Hub Tirol, ist der Themenkomplex Tourismus und Nachhaltigkeit sehr spannend und wichtig. Ein bedeutender Beitrag zur Verankerung einer Impact-Logik im Tiroler Tourismus ist das Whitepaper unserer Tourismus-Fokusgruppe: https://www.tirol.impacthub.net/fokusgruppen

An alle, die tiefer in das Thema Nachhaltigkeit und Tourismus einsteigen möchten, empfehlen wir den folgenden Podcast zum Thema „Futures, Sustainabilty and Regeneration“ von Leading Tourism’s Transition mit Birthe Menke: https://open.spotify.com/episode/6gXSBTkao83BRtl6FbIaC5

Eine wichtige Anlaufstelle für Tourismuswissen in Tirol ist die Plattform „Tirol Tourism Research“. Die TTR ist ein Gemeinschaftsprojekt von MCI Tourismus und Tirol Werbung und bietet eine umfassende Sammlung von Daten rund um den Tourismus in Tirol, sowie zentrale Marktforschungsergebnisse und praxisrelevante wissenschaftliche Erkenntnisse: http://www.ttr.tirol/

Und wer interessiert ist, in welche Richtung sich Tirol als Destination und Lebensraum entwickelt, sollte sich auf jeden Fall die Tourismusstrategie „Der Tiroler Weg“ anschauen: https://www.tirolwerbung.at/tiroler-tourismus/tourismusstrategie

Foto: Alin Andersen | Unsplash