Tobi hat Physik studiert und ist aktuell selbständiger Programmierer und Consultant. Seit Anfang 2024 ist er auch Mitglied beim ImpactHub Tirol. Inspiriert durch die Community verfolgt er deshalb nun das Ziel, bei seinen Kunden das Interesse für Nachhaltigkeit zu wecken. Im Rahmen eines Philosophie-Kurses an der Uni stolperte Tobi über das “Prisoners Dilemma” und dessen gesellschaftliche Implikationen. Gedankenexperimente gehören zu den spannendsten Methoden, um theoretische Konzepte anschaulich zu machen. Eines der bekanntesten Beispiele ist das sogenannte Prisoner’s Dilemma (Gefangenendilemma). Dieses Dilemma beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Menschen verhalten, wenn sie in einer Situation sind, in der sie zwischen Kooperation und Betrug wählen können. In der ursprünglichen Version geht es um die Entscheidungen zweier Häftlinge, zum leichteren Verständnis kann das Dilemma aber auch anders beschrieben werden: Zwei Personen nehmen an einer Gameshow teil. Dabei wird jede der Personen vor eine Wahl gestellt: Man kann entweder einen grünen Knopf drücken und kooperieren (K) oder mit dem roten Knopf einen Betrugsversuch wagen (B). Dabei dürfen die Personen sich nicht absprechen oder in irgendeiner Weise kommunizieren. Je nachdem welche Knöpfe gedrückt werden, werden Gewinne ausgeschüttet: 1. Wenn beide Personen kooperieren (K, K), erhalten beide jeweils 3 Punkte. 2. Wenn beide betrügen (B, B) erhalten beide jeweils 1 Punkt. 3. Wenn eine Person kooperiert und eine betrügt (K, B)/(B, K), erhält die betrügende Person 5 Punkte und die andere wird ausgenutzt und erhält 0 Punkte. Welchen Knopf sollte man also drücken, rot oder grün? Wenn man grün drückt, erhält man entweder 3 Punkte (K, K) oder 0 Punkte (K, B). Wenn man rot drückt, erhält man entweder 5 Punkte (B, K) oder 1 Punkt (B, B). Rein von dieser Überlegung her, sollte man also immer den roten Knopf drücken und einen Betrugsversuch wagen, da man so mit mehr Punkten rechnen kann (5 oder 1 statt 3 oder 0). Allerdings wird sich die andere Person vermutlich dasselbe denken, auch den roten Knopf drücken und somit wird der suboptimale Zustand (B, B) erreicht, in dem beide nur 1 Punkt erhalten. Die Situation ändert sich jedoch, wenn mehrere Runden gespielt werden: Nun gibt es Möglichkeiten für verschiedene Strategien. Der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Axelrod veranstaltete zu diesem Thema in den 1980er Jahren ein Turnier, in dem Computerprogramme gegeneinander spielen können. Es wurden verschiedene Programme eingereicht, von sehr freundlichen Programmen, die eher kooperieren wollen, bis hin zu hinterlistigen Programmen, die versuchen andere auszunutzen. Nachdem jedes Programm gegen jedes andere gespielt hatte, wurden die Ergebnisse ausgewertet. Entgegen der Erwartungen schnitten freundliche Programme viel besser ab als betrügerische. Gewonnen hat das Programm „Tit for Tat“ (Auge um Auge), welches zuerst versucht zu kooperieren. Danach wird immer der letzte Zug des Gegenspielers kopiert. So wird Kooperation mit Kooperation beantwortet und Betrug mit Betrug. Gelegentlich wird jedoch ein versuchter Betrug des Gegenübers sofort verziehen, um ewige Abfolgen von Kooperation und Betrug zu vermeiden. Viele Probleme in der Welt können durch solch ein Dilemma näherungsweise beschrieben werden. So ähnelt das Wettrüsten zwischen Staaten, der Kampf zwischen Konkurrenten in der Marktwirtschaft oder auch die Bekämpfung des Klimawandels einem Prisoner’s Dilemma. Zum Beispiel würde die ganze Welt von besserer Klimapolitik profitieren, dennoch zögern einzelne Staaten Maßnahmen zu ergreifen, weil sie sonst wirtschaftliche Nachteile befürchten. Hoffnung schaffen hierbei weitere Erkenntnisse von Axelrod’s Turnieren: Wenn man eine Evolutionsdynamik hinzufügt (also dass erfolgreiche Strategien bestehen und erfolglose aussterben), zeigt sich etwas erstaunliches: schon eine kleine Gruppe von kooperierenden Programmen ist in der Lage, sich gegen eine Mehrheit von ausbeuterischen Programmen zu behaupten, diese zu verdrängen und eine kooperierende Welt zu schaffen, die für alle Beteiligten fruchtbarer Boden ist. Obwohl Probleme in der Realität viel komplexer sind, kann man eine Kernaussage des Prisoner’s Dilemma auf vieles anwenden: Es muss nicht immer Sieger*innen und Verlierer*innen geben, durch Kooperation können alle Gewinner*innen sein. Quellen: Der Blog Artikel basiert fast ausschließlich auf den Inhalten dieses Video Essays https://youtu.be/mScpHTIi-kM?si=LPGNVG6BH1SW5tiS Zum Weiterlesen/schauen: Video Essay mit Interviews, Visualisierungen und mehr Infos: https://youtu.be/mScpHTIi-kM?si=LPGNVG6BH1SW5tiS Mini-Spiel zum interaktiven Lernen: https://ncase.me/trust/ The Evolution of Cooperation – Robert Axelrod (PDF Scan): https://public.websites.umich.edu/~axe/Axelrod_Evol_of_Coop_excerpts.pdf
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