Cora ist Mitglied des Impact Hub Tirols und Teil des Teams von Brand New Bundestag. Als unabhängige Graswurzel-Organisation setzten sie sich für frischen Wind in den Parlamenten ein, indem sie Menschen auf dem Weg in die Politik unterstützen. Das Ziel: Parlamente, die alle Teile unserer Gesellschaft repräsentieren sowie progressive Politik, die gemeinsam mit der Zivilgesellschaft mutige Lösungen für die drängendsten Probleme unserer Zeit findet. Sie lebt in Innsbruck und Berlin.

Innsbruck kommt gerade aus der heißen Phase des Intensivwahlkampfes zur Gemeinderatswahl und Bürgermeisterwahl für die Stadt (An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch an die frisch gebildete Caprese Koalition und gutes Gelingen!).

Die nächsten Wahlplakate ließen aber nicht lange auf sich warten, denn jetzt schon diese Woche steht die EU-Wahl ins Haus, und bevor ihr euch zurücklehnt: Österreich wählt im Herbst einen neuen Nationalrat. Aber nicht (nur) wegen Innsbruck wird 2024 als Superwahljahr bezeichnet: Weltweit werden in diesem Jahr rund 4,2 Milliarden Menschen zur Wahlurne gebeten. In rund 30 Staaten werden neue Präsident*innen gewählt, in etwa 20 weiteren Ländern wird die Zusammensetzung des Parlaments neu bestimmt, insgesamt stehen mehr als 70 Wahlen an.

Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Ländern, in denen 2024 gewählt wird. 2024 wird also zu Recht als „Superwahljahr“ bezeichnet. Jedoch gilt hier zu beachten: Nicht alle diese Wahlen werden frei und fair sein und nicht alle Staaten, die Wahlen abhalten, sind liberale Demokratien.

Ein großer Anteil kommt aus der Europäischen Union, denn hier sind diese Woche vom 6.-9. Juni über 440 Millionen Europäer*innen aufgerufen an der Wahl zum Europäischen Parlament teilzunehmen. Angelehnt an die Wahlgrundsätze in Deutschland ist die Wahl: 

  • Allgemein, weil alle Bürger*innen ein Stimmrecht besitzen – unabhängig von ihrem Geschlecht, Einkommen, Konfession, Beruf oder politischen Überzeugung.

  • Unmittelbar, da die Wähler*innen die Abgeordneten direkt – sprich unmittelbar – wählen. Es gibt keine „Wahlmänner“ wie z.B. in den USA.

  • Frei, da Bürger*innen in ihrer Wahlentscheidung nicht beeinflusst oder unter Druck gesetzt werden. Dazu gehört auch, dass es keinen Wahlzwang gibt und alle Bürger*innen frei darin sind, ob sie an einer Wahl teilnehmen.

  • Gleich, weil jede Stimme gleich viel zählt. Oder wie es im Englischen auch heißt: One (wo)man – one vote.

  • Geheim, weil sichergestellt wird, dass ein*e Wähler*in unbeobachtet die Wahl treffen kann.

Aber was hat das alles jetzt mit Zähneputzen zu tun?

Vielleicht sind sie euch auch schon begegnet, die kurzen Videos auf Social Media, in denen Prominente plötzlich vor einem stehen und sich einfach die Zähne putzen. Am Schluss kommt der Satz: „Wählen gehen ist wie Zähne putzen, wenn man es nicht macht, wird es braun!“ Die Kampagne, welche von Fridays for Future gestartet wurde, appelliert an die Weisheit, die unsere Eltern uns als Kindern eingebläut haben: Wenn wir unsere Zähne nicht putzen, dann kommen Karius und Baktus und fallen über die Zähne her, bauen große braune Löcher, die schmerzvoll sind und eine noch viel schmerzvolle Behandlung nach sich ziehen. Deshalb, liebe Kinder, ordentlich die Zähne putzen.

Und naja das ist beim Wählen gehen wirklich genauso. Wir kennen alle das Rechen- Beispiel, was passiert, wenn wenig Wahlberechtige wählen gehen. Falls ihr es nicht kennt, hier nochmal kurz zusammengefasst:

Gehen 100 Menschen zur Wahl und 20 davon wählen die Partei PPH [Pro Pizza Hawaii], dann bekommt diese 20%. Gehen aber nur noch 60 der 100 Menschen zur Wahl, aber immer noch alle 20 wählen die Partei PPH, dann erhält die Pro Pizza Hawaii ~33 % der Stimmen.

Das kann man weiter hochrechnen aber das Ergebnis bleibt gleich: Nicht-wählen beeinflusst den Ausgang der Wahl bedeutend. Nur leider geht es nicht um die gern diskutierte Pizza Hawaii sondern um rechte Politik. Das extrem rechte Lager ist sehr gut darin, seine Wähler*innen zur Stimmabgabe zu motivieren. Die anstehende Europawahl 2024 könnte ein weiteres politisches Erdbeben auslösen. In Umfragen zeichnet sich ab, dass EU-skeptische, rechtspopulistische oder (extrem) rechte Parteien weiter an Stimmen gewinnen – und damit an Einfluss im Europäischen Parlament. Je weniger Menschen insgesamt wählen gehen, umso besser für die Rechtsextremen: Ihr Anteil an Stimmen steigt und sie erhalten mehr Sitze. Bei der letzten Europawahl lag der Anteil der Nichtwähler*innen bei ~40% in Österreich. Was gegen einen Rechtsruck hilft: Eine Stimme für eine demokratische Partei!

Und ihr denkt euch jetzt, ja ich geh ja eh immer wählen, was soll ich denn noch machen? Jetzt so kurz vor der Wahl, bleibt vor allem eines: Mit Menschen reden. Bei einer Nicht-Wähler*innnen Quote von 40% müssen wir alle Personen kennen, die nicht zur EU-Wahl gehen. Also redet mit den lieben Menschen in eurem Umfeld, sprecht über Gründe oder Unsicherheiten, findet gemeinsam Antworten oder formuliert zumindest Fragen. Und ansonsten dürfen wir alle gemeinsam nur noch hoffen, dass das Wetter am Sonntag in Innsbruck nicht zu gut wird, dass die Leute vor lauter Berg kein Wahllokal sehen 😉

Kommt da jetzt noch was Positives?

Es wäre kein Blogartikel des Impact Hub Tirols, wenn nicht noch etwas Positives kommen würde (und eine Moral-Keule, aber versprochen nur ganz klein!). Was mir persönlich auch in diesen rauen Zeiten, bei all der Entwicklungen, die wir gerade sehen, und der Gefahr, die von rechts ausgeht, extrem Kraft gibt, sind unsere Kandidierenden, mit denen wir bei Brand New Bundestag arbeiten dürfen. Zu sehen, dass sich Menschen aus der Mitte der Gesellschaft für uns alle engagieren und persönlich dabei viel in Kauf nehmen, weil sie den Anspruch haben eine bessere Zukunft für alle zu ermöglichen motiviert mich richtig. Und solche Personen wie unsere Kandidierenden, die gibt es wirklich überall. Gerade haben wir mit zehn Partnerorganisationen gemeinsam für die EU-Wahl eine überparteiliche Liste zusammengestellt. Auf dieser Liste stehen 100 Kandidierende aus 10 Ländern, die am Sonntag zur Wahl stehen und alle eines gemeinsam haben: Sie wollen sich für zukunftsorientierte Politik im EU-Parlament einsetzen. Was diese Menschen vereint, was uns beim Impact Hub vereint, ist der Glaube daran, dass wir ein System bauen können, in dem es uns allen gut geht. Darauf wollen sie einwirken, oder wie man hier im Kontext sagt: Impact erzielen. Aber wie immer beim Impact, schaffen wir das nur zusammen.

Lasst uns also gemeinsam für diesen Impact einsetzen: Nicht nur im Ökosystem des Impact Hubs, nicht nur im Bereich vom Sozialunternehmer*innentum, sondern auch als demokratische Gesellschaft. Wir müssen wieder anfangen, die Demokratie als etwas zu begreifen, dessen Teil wir alle sind: Demokratie ist kein Selbstzweck, sie existiert nicht einfach so, sondern wir alle sind Akteur*innen der Demokratie. Und wie es sich gestaltet, ein*e Akteur*in der Demokratie zu sein, das dürfen wir alle selbst definieren. Die Menschen, die wir alle sind, sind aktive Teile in der Demokratie, und wir müssen wieder besser verstehen, was unsere Demokratie auszeichnet und wie wir alle mit dem was wir tun, darauf einzahlen. Und wenn wir uns als diese Menschen identifizieren, uns miteinander vernetzen und Banden bilden, dann bin ich überzeugt, dass wird das mit der lebenswerten Zukunft für alle auf jeden Fall schaffen können.

Und jetzt genug moralisiert: Ab zur Wahl!

Weitere Inforationen zu unserer EU Future 100: https://brandnewbundestag.de/eu-future-100